Homöopathische Erstanamnese

Das Erstgespräch ist in der klassischen Homöopathie sehr ausführlich und dauert bei uns etwa 2 Stunden, in komplizierten Fällen auch länger. Es ist sehr wichtig, die Beschwerden und den Krankheitsverlauf gut zu verstehen. Nur ein tiefes Verständnis – physisch und psychisch – erlaubt eine gute Arzneimittelauswahl. Und nur ein gut passendes homöopathisches Arzneimittel ist in der Lage die Selbstheilungskräfte des Organismus so anzuregen, dass im Optimalfall Heilung entstehen kann.

Die medizinische Diagnose (Migräne, Rheuma, etc.) ist die Basis für das physische Verständnis und bietet wichtige Anhaltspunkte für die Schwere der Erkrankung und die Prognose. Für die Auswahl des homöopathischen Arzneimittels stehen jedoch die individuellen Beschwerden im Vordergrund. Also:

Wo genau sitzt der Schmerz und wie fühlt er sich an? z.B. stechend, brennend, reißend
Wann oder wodurch ist es am schlimmsten? Z.B. nachts zwischen 1 und 3.00 Uhr, immer bei Vollmond, vor Sturm, im Frühjahr
Was können Sie tun, um die Beschwerden zu lindern? Z.B. Herumgehen, warme Umschläge, kalte Getränke, auf der linken Seite liegen…
Welche Begleitsymptome gibt es? Z.B. Übelkeit, kalter Schweiß, starker Durst, Hitzegefühl im Kopf…
Wie ist der Gemütszustand? Z.B. weinerlich oder reizbar, will in Ruhe gelassen werden
Seit wann bestehen die Beschwerden, gab es einen Auslöser? Z.B. Durchnässung, Unfall, Trauerfall oder Schock, medizinische Behandlung..

Bei der Behandlung chronischer oder immer wiederkehrender Beschwerden (wie z.B. Blasenentzündungen oder Sinusitis) sind nicht nur die Symptome wichtig, die sich auf die Hauptbeschwerde beziehen, sondern auch die medizinische Vorgeschichte von Kindheit an, bei Kindern auch Besonderheiten während der Schwangerschaft und Geburt und Auffälligkeiten in der Entwicklung.

Weiterhin gilt die Aufmerksamkeit den Allgemeinsymptomen wie Appetit und Nahrungsmittelverlangen, Temperatur-und Wetterempfindlichkeit, Schlaf, und bei Frauen Menstruation und gynäkologischer Anamnese. Diese nicht unbedingt krankhaften Eigenheiten sind Ausdruck der Individualität eines Menschen und können oft wichtige Hinweise auf das wirksame Heilmittel geben.

Auch psychische Symptome kommen zur Sprache und tragen zur Mittelfindung bei. Manchmal ist die psychische Situation sogar entscheidend für das Fallverständnis (z.B. Erkrankung seit Tod des Ehepartners, traurig aber kann nicht weinen, lehnt Trost ab), in anderen Fällen liegt der Schwerpunkt des Falles woanders, und einige auffällige körperliche oder Allgemeinsymptome führen auf die richtige Spur. Manchmal bringt auch die körperliche Untersuchung noch homöopathisch interessante Symptome zu Tage (z.B. Landkartenzunge, Risse in den Fersen, etc.).

Das homöopathische Erstgespräch stellt hohe Anforderungen an die Homöopathin (zuhören, beobachten, verstehen, zuordnen), aber auch Sie als Patient/-in. Sie müssen sich (oder ihr Kind) und die Beschwerden gut beobachten und beschreiben. Falls in der Vergangenheit bei Beschwerden häufig symptomlindernd eingegriffen wurde (Z. B. mit Schmerzmitteln oder Fiebersenkung) schwächt das langfristig die Reaktionsfähigkeit des Organismus. Die Individuellen Symptome – Herzstück der homöopathischen Verschreibung – können unterdrückt oder verschoben sein, sodass Geduld nötig ist, die Reaktionsbereitschaft wieder herzustellen. Wenn schulmedizinische Medikamente nötig sind und nicht abgesetzt werden können, wie z.B. bei Epilepsie oder schweren rheumatischen Erkrankungen, hilft die Beschreibung des Zustandes vor Medikamenteneinnahme.

Am Ende des Erstgespräches steht die homöopathische Analyse. Die Symptome werden geordnet, bewertet und mithilfe einer Computer-Repertorisation auf verwertbare Arzneien geprüft.  Infrage kommende Arzneien werden dann ggf. auch mit der Materia Medica verglichen um die beste Passung für das vorliegende Symptomenbild zu erzielen. Manchmal ist es möglich, gleich im Anschluss an das Gespräch ein Arzneimittel herauszusuchen, bei komplizierten Krankengeschichten brauchen wir jedoch mehr Zeit und die Arzneigabe erfolgt erst einige Tage später.

Vorbereitung auf das Erstgespräch:
Es ist sinnvoll, dass Sie sich schon vor dem Erstgespräch Gedanken machen, und Ihre Beschwerden noch einmal genau beobachten, da wir in jedem Fall viele Fragen stellen werden (s. oben). Dazu können Sie den Fragebogen bearbeiten und zum Erstgespräch mitbringen. Wenn Sie eine längere medizinische Vorgeschichte haben, hilft uns eine chronologische Aufstellung der Erkrankungen und Behandlungen. Bitte bringen Sie auch eine Liste der Medikamente mit, die Sie einnehmen.